Moritz Schlick an Albert Einstein

Norddeutscher Lloyd Bremen

D. "Bremen" 9. Mai 1932

Lieber, hochverehrter Herr Einstein,

heute nahe ich mich Ihnen wieder mit einer Bitte in einer Angelegenheit, die mich eigentlich gar nichts angeht. Es ist sozusagen nicht meine eigene Bitte, sondern ich gebe sie nur weiter. Sie geht aus vom "College of the Pacific" in Stockton, Californien. Sie werden sich wahrscheinlich nicht erinnern, von diesem Institut gehört zu haben, aber Sie entsinnen sich gewiss des Herrn Schilpp, der dort Philosophie lehrt und Sie im Februar bei Gelegenheit der Friedenskundgebung in Pasadena besuchte. Durch Schilpp, der vor drei Jahren an der Stanford University mein Assistent war, habe ich von dem College erfahren und im Winter auch zweimal dort vorgetragen. Auch B. Russell und andere haben in der letzten Zeit gelegentlich dort gesprochen. In das innere Leben des College habe ich bei meinen kurzen Besuchen dort naturgemäss nicht viel Einsicht bekommen. Es schien mir dortr recht ordentlich zuzugehen. Die Professoren sind ungefähr vom Typus des Herrn Schilpp. Viel mehr Information, als ich selbst geben könnte, erhalten Sie über das College aus dem gedruckten Jahresbericht, den man Ihnen direct aus Californien senden wird und aus dem beiliegenden Brief, den der Präsident des Colleges, Knoles, an mich gerichtet hat.

Er schrieb mir diesen Brief, wie auch aus ihm selbst (Mitte der letzten Seite) hervorgeht, um Sie durch mich für die Angelegenheit zu interessieren, um die seine Bitte sich dreht: ein sehr reicher 90jähriger Deutscher, der seinen Wohnsitz in Tracy bei Stockton hat, und dessen ganz besondere Verehrung für Sie in der Gegend bekannt ist, hat seit längerer Zeit seine Absicht ausgesprochen, bei seinem Tode das College of the Pacific mit einer bedeutneden Summe zu bedenken, die für die Errichtung und Einrichtung eines neuen Gebäudes des College verwendet werden und den Namen Einstein-Hall tragen sollte. Hierzu bedürfte es natürlich Ihrer Zustimmung, und es wäre ohnehin nötig, sich an Sie zu wenden, nachdem die Stiftung stattgefunden hat. Tatsächlich hat aber der alte HerrDroge heißt erseine letztwilligen Verfügungen noch nicht getroffen, und da er kränklich ist, fürchtet der Präsident, dass er es vieleicht versäumen könnte. Ausserdem hat der Präsident, wie gleichfalls aus dem beiliegenden Briefe zu ersehen, die Stiftung möglichst bei der nächsten feierlichen Gelegenheit als vollzogen öffentlich zu verkündigen; das wird am 13. Juni sein, bei der "Commencement"-Feier, bei der, wie Knoles mir sagte, Millikan sprechen soll. Aus diesen Gründen ist die Angelegenheit also etwas eilig. Die Bitte des Präsidenten besteht nun darin, dass Sie an den alten Herrn Droge ein Telegramm richten, dass ihn in die höchste Begeisterung versetzen und, wie der Präsident meint, zweifellos sofort den Vollzug der Stiftung zur Folge haben würde. Er drückte mir, als ich ihm im Zuge auf der Rückreise begegnete, auch den beifolgenden Zettel in die Hand mit einem Texte, den das Telegramm enthalten könnte. Ausserdem seien bereits Maßnahmen getroffen, dass das College die Kosten des Telegrammes übernehmen werde. Sie werden dies alles nicht für sehr geschmackvoll halten, aber es ist amerikanisch, und man wollte von Ihrer Zeit möglichst wenig in Anspruch nehmen.

Aus demselbsen Grund ist es auch für mich höchste Zeit, zu schliessen; ich habe ohnehin nichts hinzuzufügen.

Mir geht es nicht sehr gut. In Berkeley war ich in der letzten Zeit ziemlich krank, und meine Besserung macht sehr langsame Fortschritte. Ich kann daher die Ozeanfahrt leider nicht in England unterbrechen, wo die Universität London mich zu Vorträgen eingeladen hatte, und leider, leider auch nicht über Berlin fahren, sondern ich muss mich auf dem kürzesten Wege von Bremerhaven nach Wien begeben. Wie schön war es, Sie in Pasadena zu sehen! Entschuldigen Sie bitte diesen Brief. Mit den besten Empfehlungen an die Frau Gemahlin grüsst Sie herzlich und in Dankbarkeit Ihr

M. Schlick