Albert Einstein an Moritz Schlick

Prof. Dr. A. Einstein

Berlin W. 30, den 28. IV. 22.

Haberlandstr. 5.

Lieber Herr Schlick!

Herr Koehler, der jetzt als Philosoph und Psychologe aus Göttingen nach Berlin berufen worden ist, fordert mich auf, ich solle mich für Herrn Dr. Max Wertheimer einsetzen mit Rücksicht darauf, dass letzterer eventuell nach Göttingen oder Kiel berufen werden könnte. Ich komme dieser Aufforderung um so lieber nach, als ich Herrn Wertheimer persönlich gut kenne und als Menschen sehr hoch schätze. Der Schwerpunkt von Wertheimers Interesse liegt auf dem psychologischen Gebiet, wo er hauptsächlich schöpferisch tätig war. Erkenntnistheoretisch ist er insofern weniger geeignet als Reichenbach, als er die exakten Naturwissenschaften viel weniger kennt als letzterer. Jedenfalls aber ist er kein Anhänger versteinerter Wortphilosophie (Kant-Gesellschaft) sondern ein lebendiger Mensch, der selber denkt und erlebt und in diesem Sinne auch befreiend auf junge Menschen zu wirken vermag. Ich habe ein wenig den Eindruck, dass in Deutschland gegenwärtig die Psychologie gegenüber der Erkenntnistheorie etwas vernachlässigt wird.

Diese Zeilen sollen keinen Versuch darstellen, Sie irgendwie zu beeinflussen, sondern sie nur auf eine Möglichkeit hinweisen, die Ihnen vielleicht mit Rücksicht auf Ihr eigenes Arbeitsgebiet nicht in den Sinn gekommen ist.

Der Brief bedarf natürlich keiner Beantwortung.

Mit herzlichen Grüssen

Ihr

A. Einstein.